*Ernst Ferstl
Was ist Suchttherapie?
Mein Weg zur Suchttherapeutin.
Methoden
Jahresberichte
“Auch Umwege erweitern
unseren Horizont”*
Was ist Suchttherapie VT?
Die Suchttherapie – verhaltenstherapeutisch orientiert – unterstützt Betroffene dabei, ihren zumeist langjährigen Konsum von Alkohol und Drogen einzustellen.
Alkohol, Drogen, Glücksspiel, Kaufen: Abhängigkeit oder Missbrauch kann viele verschiedene Formen aufzeigen und geht oft mit schwerwiegenden Folgen einher. Ganz gleich unter welcher Sucht der Betroffene leidet, durch seine Abhängigkeit wird er auf lange Sicht den Verlust seiner Freiheit und persönlichen Entscheidungswillen verlieren. Denn mit Voranschreiten der Abhängigkeit wird das eigene Verhalten für den Betroffenen selbst immer unkontrollierbarer, da das Handeln von der Sucht geprägt wird.
Der verhaltenstherapeutische Ansatz bedeutet ein arbeiten im “Hier und Jetzt” und zielt darauf ab, den Patienten zur Selbsthilfe anzuleiten. Der Verhaltenstherapie zufolge ist unser Leben durch Lernvorgänge geprägt. Gute und schlechte Erfahrungen verstärken Verhaltensweisen oder schwächen sie ab. Auch psychische Störungen sowie Abhängigkeiten können nach dieser Theorie aufgrund ungünstiger oder belastender Lernerfahrungen entstehen. Hat ein Mensch einmal falsche Verhaltensweisen “gelernt”, die zu Problemen führen, geht die Verhaltenstherapie davon aus, dass er sie auch wieder “verlernen” kann.
Die Suchttherapie wird nicht ohne Grund auch als Entwöhnungsbehandlung bezeichnet. Sie ist der Beginn eines Prozesses, in dem die Wahrnehmung der Klienten wieder auf Bereiche jenseits des Suchtmittelkonsums und Suchterlebens geführt wird.
Die Vorsilbe ent- taucht bei der Suchttherapie häufig auf. Es wird entzogen, entgiftet und entwöhnt. Da kann der Eindruck entstehen, als gehe es in dieser Therapie vor allem um Verzicht (Entbehrungen). Als genau das deuten sie viele Betroffene und schrecken davor zurück. Sie fürchten, durch den Verzicht auf das Suchtmittel etwas zu verlieren….und bemerken erst viel später, dass sie dazugewonnen haben.
Wir arbeiten MIT Rückfällen. Das bedeutet, dass die Hilfe nicht beendet wird, wenn einer unserer Klienten rückfällig wird. Vielmehr sehen wir in der Aufarbeitung des Rückfalles (z.B. durch Rückfallgruppen, Rückfallberichte…) eine Chance, hieraus zu lernen, um anders und besser auf sogenannte Rückfallgefahren zu reagieren und dem Suchtdruck zu widerstehen. Die Auslöser der Rückfälle geben wichtige Hinweise darauf, welche Erfahrungen der Suchtkranke durch den Konsum zu vermeiden versucht.
Suchttherapien ebnen den Weg aus der Abhängigkeit und ja, sie können scheitern- aber sie haben auch hohe Erfolgsraten und können Wege aufzeigen, sein Leben wieder selbstbestimmt und bewusst zu gestalten.
Mein Weg zur Suchttherapeutin.
Ich arbeite seit 10 Jahren für den CHAMÄLEON Stralsund e.V. als Suchttherapeutin.
Nachdem ich an der FH Neubrandenburg mein Studium der Sozialen Arbeit / Sozialpädagogik beendet hatte, begann ich im Anschluss eine Weiterbildung zur Suchttherapeutin im “Angermünder Institut für Suchtmedizin und Suchttherapie”. Diese konnte ich 2010 erfolgreich abschließen. Die NADA-Ohrakupunktur habe ich 2020 in Berlin erlernt und mit Zertifikat abgeschlossen.
Im Laufe meiner therapeutischen Berufsbahn habe ich sowohl mit Kindern und Jugendlichen als auch mit Erwachsenen gearbeitet. Viele meiner Klienten leiden an komorbiden Störungen, d.h. neben einer Abhängigkeitserkrankung leiden die Betroffenen zusätzlich an einer psychischen Störung oder Erkrankung (Ängste/Phobien, Depressionen…)., die ebenfalls im Blick behalten werden muss.
Jede Abhängigkeit verläuft anders, jeder Mensch ist einmalig. Dementsprechend gestaltet sich auch meine Tätigkeit sehr abwechslungsreich. Meine Klienten fordern und überraschen mich mit ihren Geschichten, mit ihrer Kraft, ihrer Wut und ihrem Vertrauen, welches sie mir entgegen bringen. Dafür möchte ich mich bedanken.
Methoden
Inhaltlich kann ich auf verhaltenstherapeutische als auch systemische Arbeitsmethoden zurückgreifen, was die Therapiestunden individueller und abwechslungsreicher werden lässt.
Zu den klassischen, suchttherapeutischen Arbeitsmethoden gehören:
- Suchtanamnese,
- Familienanamnese (Genogramm),
- Verhaltensanalyse,
- Rückfallprophylaxe,
- Aufarbeitung von Rückfällen,
- Psychoedukation,
- Skilltraining/ Verhalten in Hochrisikosituationen,
- Soziales Kompetenztraining,
- Vermittlung von Entspannungsverfahren …
Die Therapieziele werden für jeden Betroffenen individuell in Therapieverträgen festgehalten und nach einem klar umrissenen Zeitraum schauen wir gemeinsam, welche Ziele schon erreicht wurden und welche noch nicht.
Die Methoden aus der Systemischen Therapie eignen sich besonders, wenn der Zugang zur eigenen Gefühlswert durch den langjährigen Konsum verschlossen ist oder es schwer fällt, Worte zu finden und Vertrauen aufzubauen. Hier arbeite ich dann gern mit Gefühlssternen, Karten, Symbolen oder Familienbrettern u.a.
“Zeigst du keine Gefühle, kann die Welt sie dir nicht verderben, aber ohne lieben, lachen, weinen, ist das Leben selbst wie sterben”. (Kontra K)
Eine sehr hilfreiche sowie unterstützende Methode innerhalb der Suchttherapie stellt die Nada- Ohrakupunktur dar. Ursprünglich wurde diese Akupunkturmethode in der „Bronx“ entwickelt und eingesetzt, um schwer abhängigen Drogenkonsumenten den Entzug zu erleichtern bzw. ihre Abstinenz aufrechtzuerhalten. Die Ohrakupunktur unterstützt Betroffene ebenfalls bei täglichen Belastungen, Stress/Burnout-Symptomen, Unruhe, Schlafstörungen, Schmerzen, psychischen Erkrankungen, Hyperaktivität, Rauchentwöhnung …
Es gibt viele Methoden, um therapeutisch zu arbeiten. Im Laufe der Jahre habe ich für mich erkannt, dass am Anfang immer die Beziehungsarbeit stehen muss, erst dann kann sich Vertrauen entwickeln, welches den Grundstein für den langen, therapeutischen Prozess bildet. Die therapeutische Richtung ist dabei für mich nebensächlich (im Sinne von: Wer heilt hat Recht!). Die therapeutische Haltung jedoch nicht.
Jahresberichte
2020 – Etwas zu diesem Jahr schreiben? Da war doch nur Corona! Oder?
Also bin ich meinen Terminkalender 2020 durchgegangen und habe Folgendes herausgefunden:
- 27 Jugendliche und junge Erwachsene durfte ich im vergangenen Jahr suchttherapeutisch begleiten und unterstützen.
- 12 BewohnerInnen haben ihre Konsumgewohnheiten komplett geändert, das bedeutet, diese jungen Menschen leben entweder völlig abstinent oder sie konnten den Konsum ihrer “Hauptdroge” einstellen.
Von den 27 Klienten konnten 4 eine Ausbildung beginnen, nachdem sie in Stralsund ihre Schulabschlüsse erreicht hatten. Zum Ende des Jahres besuchten (und besuchen noch) 8 Jugendliche die Schule, ein junger Mann absolviert derzeit ein Praktikum.
2020 konnten wir 5 Klienten regulär entlassen, d.h. diese Bewohner haben ihre Therapie erfolgreich abgeschlossen und kehrten mit einer realistischen Zukunftsperspektive in ihre “Heimatstädte” zurück oder wurden in Stralsund sesshaft.
Für 6 Klienten aus den Einrichtungen Twist und La Vida wurde die Hilfe leider vorzeitig beendet.
Das Jahr 2020 war für Alle eine echte Herausforderung. Die Pandemie hat vieles verändert und wir mussten uns von der Normalität, wie wir sie kennen, verabschieden. Abschied.…. scheint generell das Schlagwort für dieses schwierige Jahr zu sein: Abschied von der Frankenstraße, Abschied vom La Vida, Abschied von tollen Kollegen, Abschied von Klienten, Abschied von Unbeschwertheit und Spontanität! Dafür viel Maske, viel Kontaktbeschränkung, viel Unsicherheit…..
Was waren meine Highlights? :
Da war für Kopf, Herz und Bauch etwas dabei:
Ich habe mich unfassbar darüber gefreut, dass eine langjährige Bewohnerin ihren Realschulabschluss in Stralsund mit einer tollen Abschlussnote hingelegt hat. Die junge Frau ist zurück nach Hamburg gegangen, um hier ihren Traumberuf (Krankenschwester) zu erlernen. Sie ist noch fleißig dabei!!!
Sehr erleichtert war ich darüber, dass ein Bewohner seine psychische Erkrankung so gut in den Griff bekommen hat, weil er sich auf Hilfe einlassen konnte und die Erkrankung sowie uns ernst genommen hat. Auch dieser Bewohner ist stabil nach Hamburg zurückgekehrt und ich hörte, es geht ihm gut….
Geburtstagskuchen
Und ja, mein herrlich kreativer und quietschebunter Geburtstagskuchen!!! Danke an die Bande vom Twist. Ich finde mich gut getroffen!
Baustellen für das Jahr 2021 gibt es viele: So möchte ich regelmäßig die Akupunktur anbieten und fest in den Therapiealltag integrieren, im niegelnagelneuen „ManTau“ eine gute Arbeitsstruktur (und mir ein neues „Arbeitszuhause“) schaffen und die Arbeit mit Gruppen wieder verstärkt durchführen, – das ginge auch mit Nadeln im Ohr!
Akupunktur
Die größte Baustelle aber bleibt für mich, dass wir wieder zur Normalität finden, gesund bleiben, zusammenhalten und zuversichtlich nach vorne schauen.